Der innere Kritiker, innere Ankläger / innere Abwerter
– ein fatales Konzept?!
„Ich (bin ein) Versager“ ist die Kernaussage selbstkritischer Gedanken.
(Übrigens sehr interessant:
Diese Seite und die Aussage „Du Versager“ interessiert mehr Menschen – auch Sie?! -, als alle anderen FIP-Berlin-Seiten hier….. Das Lesen dieses Artikels wird leider auch nicht weiterhelfen , kann aber vielleicht ein Impuls sein, den nächsten Schritt zu TUN)
Eine „normale und beliebte Strategie“ mit der ‚auf die eigene Person gerichtete Kritik‘

Selbstabwertung und die unglückliche Strategie, andere abzuwerten…
umzugehen, ist „den inneren Kritiker“ nach außen zu richten, also andere Menschen oder Umstände anzuklagen. Schließlich ist das ‚DIE Strategie‘, die wir i.d.R. von unseren Eltern gelernt haben – und diese von ihren, usw. („Mehrgenerationen-Ansatz“ (Helm Stierlin).
Für die eigene Selbstbewertung scheint das zunächst erfolgreich zu sein, weil „die Inkompetenz nach Außen gelagert“ (externalisiert) und auf andere Menschen gerichtet und übertragen ( projiziert) wird.
Der Nachteil daran ist allerdings, dass dabei auch die eigene ‚Macht‘ an andere abgegeben wird, denn…
„buddelt“ man etwas tiefer, verbirgt sich unter der Kritik/Abwertung oft Hilflosigkeit bzw. Ohnmacht, auch und insbesondere, wenn sie auf andere gerichtet ist.
Unabhängig davon, wen Sie in bestimmten Situationen ‚beschimpfen‘ – sei es den Busfahrer, der nicht pünktlich kommt; Ihre Kinder, weil sie nicht aufgeräumt haben oder sich selbst, weil sie schon wieder XY getan bzw. nicht getan haben – der oder die Beschimpften habe eigentlich die Macht/den Einfluss/die Kontrolle über das aktuelle Ereignis!
Besonders tragisch ist dies, wenn der ‚Anklage-Modus‘ chronisch wird

Was der Zeigefinger in der „Ankläger-Skulptur“ eigentlich symbolisiert ist ein Pfeil, der neutral formuliert lediglich auf kritische (= entscheidende) wunde Punkte (beim Gegenüber) hinweist. In seiner ‚missbräuchlichen‘ Funktion wird daraus eine Art „Pfeil“. mit dem man in den Wunden des Anderen herum stochert oder erst Wunden verursacht!
Aus soma-linguistischer Sicht ist ‚das Anklage‘ auch vielmehr ein „An-Zeigen“ – vermutlich die Ursprüngliche Bedeutung von „Etwas zur Anzeige bringen“ oder „jemand anzuzeigen“.

Szenario-Arbeit mit den Biegepuppen.
Dieses „Anklagen“ und die Reaktion lässt sich auch sehr ’schön‘ in der Szenario-Arbeit darstellen; besonders die Biegepuppen bieten hierbei vielfältige Möglichkeiten.
So lassen sich mit den Biegepuppen auf Grund der biegsamen Glieder vielfältige ‚Körper-und Familien-Skulpturen‘ bilden, die oft mehr aussagen bzw. ‚tiefer‘ verdeutlichen, was in der Szene passiert und wie es auf die beteiligten Personen wirkt.
Nun gibt es mehrere Möglichkeiten, mit dieser „kritischen Stimme“ umzugehen, bzw. sie Schritt für Schritt aufzulösen:
Arbeit mit Teilpersönlichkeiten
Eine ist die Arbeit mit sogenannten „Teilpersönlichkeiten“ (z.B. Voice Dialogue, Hal & Sidra Stone), dem Inneren Team ; Schulz von Thun) oder IFS (Internal Family-System ; Richard Schwartz).
Dabei werden die kritischen, abwertende Aussagen wortwörtlich nach außen gebracht und als eine eigene Person auf einem Extra-Platz im Raum positioniert, als „innere Kritiker“ oder „Innere Ankläger„.
(Kl)eine Kritik an dem Konzept des Inneren Kritikers – und auch des Inneren Kindes:
Methoden, die mit kritischen Aussagen in Form von Personen arbeiten, können hilfreich sein, WENN dies eine erster Schritt zur „Desidentikation“ (= Inneren Abstand nehmen“) ist. Im Voice Dialogue zum Beispiel gibt den Platz des bewussten Ichs.
Wenn allerdings – so mein Eindruck von den vielen Internetseiten zum Thema „Innere Kritiker“ – die Kritik ‚personifiziert‘ wird und BLEIBT, hat man ein Problem!
Besitzanzeigende Worte („MEIN Kritiker“) vermitteln den Eindruck, dass es eine Person gibt, die
- zu mir gehört
- in MEINEM Besitz ist und von mir ‚beherrscht‘ wird
- es sich um ein ‚echtes‘ Lebewesen handelt, das man nicht loswerden kann

Die Arbeit mit Handpuppen
kann hilfreich sein, diesen innere Abstand spielerisch zu ermöglichen.
Wortwörtlich nimmt man dabei die Puppe mit dieser kritischen Stimme in die Hand. Die Puppe ist kleiner als der Mensch, der sie in der Hand hält und wird vom Puppenspieler kontrolliert.
Dadurch können sich vollkommen neue Ein_Sichten ergeben …
Suche nach der positiven Absicht
Die Suche nach einer ‘positiven Absicht hinter’ den Kommentaren. Meist ist verbirgt sich eine Art ‘Schutz-Funktion’ hinter all der Kritik. Das heißt, dass selbst-kritische Kommentare letztendlich dazu dienen, Fehler zu vermeiden und sich lieber selbst zu kritisieren bevor es ein anderer macht.
Metta-Meditation
Eine weitere Methode stammt aus der buddhistischen Praxis:
Die Metta-Meditation (= ‘*liebende Güte“; Wikipedia-Link), bei der man sich selbst UND anderen Menschen ‘Grundqualitäten’ (Liebe, Gesundheit, Freiheit, Leichtigkeit u.a.) ‚wünscht‘.
Open Focus Aufmerksamkeitstraining
Eine dritte Möglichkeit stammt aus der Erforschung der Gehirnwellen, die vollkommen ‘inhalts- und korrektur- frei’ mit Symptomen arbeitet (Open Focus Aufmerksamkeitstraining), z.B. mit der Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf den Ort der Gedanken, der Quelle der Gedanken, „den Raum zwischen den Gedanken – und um die Gedanken herum“.
Gedanken als Wörter, Buchstaben erkennen
Und eine Vierte ist, Gedanken als das zu sehen, was sie sind: Sätze, Worte, Buchstaben – nicht mehr und nicht weniger.
(Diese Betrachtungsweise kommt u.a. in der Akzeptanz Commitment Therapie (ACT) zum Einsatz, wobei es verschieden Methoden gibt, Abstand von den Gedanken zu finden.)
![Plus-Minus-Gleich-Triade plus_minus_gleich_Triade_rund[1]](http://www.fip-berlin.de/wordpress/wp-content/uploads/plus_minus_gleich_Triade_rund1-150x135.jpg)
! Egal, welchen Ansatz/welche Möglichkeit man für sich als hilfreich erkennt und anwenden will, eines haben sie gemeinsam:
Kritik als Anklagen und Abwerten sich selbst und/oder anderen gegenüber ist einer der “stärksten Entwicklungskiller” und „Beziehungszerstörer“ und wird i.d.R. einer der ersten Themen sein, die bei Selbstentwicklungsprozessen ‘bearbeitet’ werden “sollten”.
Interessant ist, dass sowohl der Ansatz von Open Focus Aufmerksamkeitstraining als auch von ACT (Akzeptanz und Commitment Therapie/Training) am „Gleich („=“)-Pol“ der Ur-Triade ansetzen, während die Metta-Meditation eine „Plus“(„+“)-Methode“ ist.
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