Die Samenkorn-Metapher
Das gesündeste Samenkorn wird nicht gedeihen, wenn es nur auf dem Tisch liegt.
Ein Apfelkern bleibt ein Apfelkern, auch wenn der Gärtner lieber einen Kirschbaum hätte.
In Kontrast zu dem linearen “Weg-Ziele-Wanderer-Prozess” (wie z.B. das S.M.A.R.T.-Modell 1) steht die “Samenkorn-Metapher”, also ein Gleichnis über die Selbst-Entwicklung – im Gegensatz zu Konzepten, die unter dem Titel „Persönlichkeitsentwicklung“ stehen.
Danach geschieht Ent-wicklung als ein aus-sich-selbst-entfaltender Prozess, in eigenem Tempo, als ein aktives, am Außen orientiertes Vor-gehen mit z.T. „Ich-fernen“ Zielen oder Zeitangaben wie im S.M.A.R.T.-Modell.
Das Samenkorn steht für den individuellen Menschen, mit all seinen ur-eigenen Anlagen, Talenten, Neigungen etc.. Diese sind bereits durch die Zeugung naturgemäß angelegt bzw. kommen im Laufe einer (gesunden) Entwicklung hinzu.
Das Samenkorn braucht also ‘nur’ – um sich zu entwickeln und zu einer Blume, einem Strauch, Baum – oder sogar zu einem sogenannten Unkraut heranzuwachsen – eine bestimmte, gesunde Atmosphäre:
Einen nahrhaften Boden, Regen/Wasser und Licht und Schutz bzw. eine Ausgewogenheit (Balance-Haltung), weder zu viel, noch zu wenig – alles ‘Andere’ entwickelt sich allein aus den Anlagen des Samenkorns.
Auch kränkliche Pflanzen können durch die entsprechenden Umweltbedingungen – und nur durch diese – (meist) wieder genesen. Dies ist im Grunde die Aufgabe, das Anliegen von Psychotherapie – oder sollte es m.E. zumindest sein.
Bei den Angeboten im FIP-Berlin soll – in Einzel- oder Gruppen-Angeboten (z.B. dem Companion-Forum) – der Fokus auf dieser Atmosphäre liegen, konkret heißt das, dass es wenig um Vorschläge, Anweisungen, Ratschläge geht, sondern viel mehr um “Raum-geben” (= Äußeres-System), der
frei ist von oder ‘arm’ an
- Kritik
- Du-Botschaften
- Anweisungen („Probieren-Sie-mal-dieses-oder-jenes“)
Stattdessen wird angestrebt:
- eine bestätigende-annehmende Haltung gegenüber dem, was da ist
- Entwicklung von offenen und verdeckten Potenzialen
- Auflösung von inneren & äußeren Blockaden (innere = z.B. Gedanken, ‚unbrauchbare‘ Glaubenssätze; äußere = Lebenssituationen)
Aus meiner Sicht kann nur so eine individuelle und authentische (“echte”) Entwicklung gefördert werden, die frei ist von ‘normierten’ Idealvorstellungen, wie jemand sein muss, damit sie/er ‘erfolgreich’, glücklich oder was auch immer ist.
Die Samenkorn-Metapher ist u.a. inspiriert durch
- Gerald Hüthers Gehirn-Forschungen und seinen daraus abgeleiteten Erkenntnissen, die sich m.E. allerdings mehr auf pädagogische Konzepte für die Entwicklung und das Lernen bei Kindern konzentriert.
- Carl Rogers Personenzentierten Ansatz / Gesprächstherapie
- Eugen Gendlins Focusing
- Slow-Grow-Prinzip von Svenja Hofert
- eigener (auch leidvoller) Erfahrung
- vielen Gesprächen mit Menschen
- …
1 = “S.M.A.R.T.” — abgekürzt für
- S – pezifisch-konkret (präzise und eindeutig formuliert)
- M – essbar (quantitativ oder qualitativ)
- A – ttraktiv (positiv formuliert, motivierend)
- R – ealistisch (das Ziel muss für mich erreichbar sein)
- T – erminiert (bis wann…?)
Siehe auch
Soweit erstmal….
Ein kurzes Video von Gerald Hüther 2, in dem es eigentlich um ‚Unsinn‘ von Lernprogrammen für junge Kinder geht, passt sehr gut zu diesem Text:
Ersetzen Sie im Video-Beispiel einfach „Kinder“ durch „Erwachsene“ und „Lernen“ mit „Trainings“, „Methoden“ „Workshops“ etc.:
2 = Aufmerksam wurde ich auf das Video durch Susanne Völker